Warum XMPP?
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von sicheren oder auch vermeintlich sicheren Instant Messengern auf dem App-Markt. In diesem Beitrag möchte ich gerne erläutern, warum man ausgerechnet XMPP eine Chance geben sollte, durch das anbieterunabhängiges Chatten möglich wird.
Das Thema Datenschutz/Verschlüsselung wird in diesem Beitrag bewusst ausgeklammert, um den anderen Vorteilen mehr Raum zu geben. Ich möchte einmal darstellen, dass es gute und wichtige Gründe gibt bei XMPP einzusteigen, selbst wenn man der Meinung ist, dass der aktuell verwendete Messenger sicher genug ist und man nichts zu verbergen hat.
Wer sich insbesondere mit den Themen Datenschutz und Verschlüsselung von Messengern auseinandersetzen möchte, kann sich zum Beispiel auf der Seite kuketz-blog.de (extern) informieren.
Die aktuelle Situation
Instant Messaging Apps werden heutzutage von fast jeder Person genutzt, die ein Smartphone besitzt. Es wird eine Vielzahl von Apps angeboten (zum Beispiel Whatsapp, Telegram, Signal und Threema). Die meisten dieser Instant Messenger haben eine Sache gemeinsam: Entscheidet man sich für eine dieser Apps, hat man sich auch bereits auf einen Anbieter bzw. ein Unternehmen festgelegt. Das bedeutet: Apps verschiedener Anbieter können nicht miteinander kommunizieren.
Dieses führt bei vielen Nutzer:innen dazu, dass sie viele Kontakte bei Whatsapp haben, einige bei Signal und einige bei Threema. Das ist erstmal noch kein Problem, da man ja die richtige App für die entsprechenden Kommunikationspartner nutzen kann. Spätestens bei der Erstellung eines Gruppenchats ergeben sich aber Probleme.
Hier ein kurzes Beispiel: Alle bis auf Walther sind bei Whatsapp, Theodor hat kein Threema und Sieglinde hat keine Lust zusätzlich noch Signal zu installieren. Was macht man nun? Gehen wir mal davon aus, dass Walther Whatsapp nicht nutzt, da er die Nutzungsbedingungen nicht akzeptieren möchte. Er ist aber die einzige Person aus der Gruppe, die es nicht hat. Wäre es nun fair, die Gruppe bei Whatsapp anzulegen und somit sozialen Druck bei Walther auszuüben?
Diese Gesamtsituation entsteht daraus, dass die aktuellen Instant Messenger keinen gemeinsamen Standard nutzen beziehungsweise nicht interoperabel sind.
Stellen wir uns die gleiche Situation einmal mit einem E-Mail-Verteiler vor. Hier ist es völlig egal, welches E-Mail-Programm Walther, Theodor und Sieglinde nutzen. Es ist auch egal, ob die jeweiligen E-Mail-Adressen bei mailbox.org, posteo.de, freenet.de oder web.de angelegt sind. Jede:r kann das Programm und den Anbieter ihrer/seiner Wahl nutzen, solange jede Person eine E-Mail-Adresse hat. Dieses Prinzip funktioniert auch beim Instant Messaging.
XMPP als Instant Messaging Lösung
Bei XMPP handelt es sich nicht um einfach um eine weitere Instant Messaging App. Stattdessen handelt es sich um einen international etablierten offenen Standard eines Kommunikationsprotokolls.
Das bedeutet, jede:r, der/die möchte
- kann sich frei entscheiden, welche konkrete App er/sie nutzen möchte,
- kann sich frei entscheiden, welchem Anbieter er/sie vertraut,
- kann eine App entwickeln, die diesen Standard nutzt,
- kann einen XMPP-Server einrichten mit dem sich die Apps verbinden und somit zum Anbieter werden.
Die positiven Folgen
- Man respektiert das Datenschutz-Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (extern) von anderen Personen.
- Wahlfreiheit bei der App
- Es gibt nicht das eine Unternehmen, welches die Kontrolle über das Instant Messaging hat. Damit gibt man auch lokalen Anbietern die Chance Instant Messaging kostenfrei oder kostenpflichtig anzubieten (Support your local).
- Der Wechsel zu einem anderen Anbieter ist möglich. Man kann trotzdem mit den alten Kontakten weiterkommunizieren und Gruppenchats bilden.
- Es ist ein Wechsel zwischen und auch der gleichzeitige Betrieb mehrerer Apps möglich.
- Es ist problemlos möglich mehrere Chatkonten anzulegen und somit zum Beispiel private und berufliche Kommunikation zu trennen.
Es wandert also ein großer Teil der Kontrolle zurück zu den Nutzer:innen. Die Folge ist eine größere digitale Souveränität.
Wie nutze ich XMPP?
Der Einstieg in die XMPP-Welt ist genauso einfach, wie der Einstieg in die Welt von E-Mails.
- Auswahl eines Anbieters
- Registrierung eines Chatkontos (bzw. einer Chatadresse) bei dem gewählten Anbieter
- Auswahl einer XMPP-App
- Installation der XMPP-App und Einrichtung des Chatkontos
Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für den Einstieg?
Den internationalen Standard XMPP gibt es schon seit 2004. Dieser wurde jedoch stetig erweitert, um modernem Instant Messaging gerecht zu werden. Insbesondere in den letzten Jahren wurden viele Apps entwickelt und weiterentwickelt, so dass mittlerweile ein Zustand erreicht ist, der Normalnutzer:innen einen guten Zugang ermöglicht.
Auch wenn ich ungern Empfehlungen für konkrete Apps gebe, glaube ich, dass die Angabe einer App für den Einstieg in dieser Anleitung hilfreich sein kann. Deshalb möchte ich für ausgewählte Betriebssysteme jeweils genau eine App angeben, mit der man gut in die Welt von XMPP einsteigen kann.
- Android: Conversations/Snikket
- iPhone/iPad: Monal
- Windows: Gajim (extern)
- Linux: Dino (extern)
- macOS: Monal
Die Links führen jeweils (außer bei Dino) zu einer Installationsanleitung.
Einstiegshürden für neue Nutzer:innen
Wie immer, wenn man etwas Neues probiert, gibt es auch ein paar Hürden, die zu überwinden sind:
- Die Auswahl eines XMPP-Anbieters fällt neuen Nutzer:innen häufig nicht leicht. Hilfestellung bietet z.B. die folgende Seite: Freie-Messenger (extern). Die großen Mailanbieter bieten meines Wissens in den meisten Fällen aktuell keine Chatadressen an. Vielleicht ändert sich das ja aber in Zukunft.
- Bei XMPP wird eine Chatadresse zur Identifikation verwendet (nicht die Telefonnummer). Die Kontaktliste neuer Nutzer:innen ist somit zunächst leer. Selbst wenn eigene Kontakte XMPP nutzen, hat man diese nicht automatisch in der Kontaktliste.
- Wenn ein:e neue Nutzer:in keine direkte Empfehlung für eine App bekommt, ist es schwierig für sie/ihn herauszufinden, welche Apps XMPP unterstützen und welche für sie/ihn am besten geeignet ist.
- Nicht-technikaffinen Nutzer:innen fällt es oft schwer anderen Personen die Vorteile von XMPP zu erklären. Deshalb ist es schwerer, weitere Menschen von der Idee zu überzeugen. Zusätzlich müssen sie eventuell eine andere App verwenden als die empfehlende Person (Android vs. iPhone).
Um die vierte Hürde etwas abzumildern, versuche ich in diesem Blog Installationsanleitungen für die verschiedenen Apps zu verfassen. Auf diese Weise kann man anderen Personen den Link zu der für sie passenden Anleitung zusenden.
Fazit
Mit der Nutzung von XMPP geht man also einen neuen Weg beim Instant Messaging. Man fragt nicht mehr, ob man jemanden per Whatsapp, Threema oder Signal erreicht. Man fragt stattdessen einfach nach der Chatadresse der anderen Person. Man lässt der anderen Person also die freie Wahl, welcher Anbieter und welche App die richtige Wahl für diese Person ist. Man respektiert die informationelle Selbstbestimmung der anderen, da man nicht einfach die Telefonnummern an Server anderer Unternehmen weitergibt (auch wenn diese meine App gar nicht benutzen).
Zusätzlich gibt man allen Unternehmen und Vereinen aus allen Ländern die Chance an der Digitalisierung teilzuhaben und diese voran zu treiben. Die Nutzer:innen entscheiden letztlich, welchem Anbieter sie vertrauen und wessen App sie nutzen möchten.
Aus welchem Grund sollte man XMPP also nicht ausprobieren?